Samstag, 23. Juni 2012

"The Man Who Wasn't There" [US '01 | Ethan & Joel Coen]

Ein wenig untergegangen zwischen Werken wie „Fargo“ und den zum Kultfilm avancierten „The Big Lebowski“, kam „The Man Who Wasn't There“ nicht die Beachtung zu, die er eigentlich verdient hätte. So entpuppt sich die neunte Regie-Arbeit der Coen-Brüder retrospektiv betrachtet wohl als eine der reifsten: Die Hommage an den Film noir funktioniert sowohl auf der visuellen, als auch auf der narrativen Ebene hervorragend. Nicht zuletzt, weil mit Billy Bob Thornton die perfekte Besetzung für den wortkargen Mr. Crane gefunden wurde. Dessen lakonische Gedankenstimme führt uns ein in die Welt des Ed Crane – Mr. Nobody. Das minimalistische Spiel durch Mimik und Gestik funktioniert in diesem Zusammenhang auch nur durch den redseligen Off-Kommentar Thornton's. 

Dieser ist es dann auch, der das Tempo des Filmes bestimmt, mal melancholische, mal nostalgische Töne anschlägt, das Geschehen bewertend passieren lässt und dessen unterkühlte Kommentare die Wahrnehmung des Zuschauers auf die uns gezeigte Welt entscheidend beeinflussen. Unser Blick auf diese Welt ist der, des Ed Crane. Es wird uns keine Möglichkeit geboten abzuwägen, zu vergleichen und eine eigene Entscheidung zu fällen. Und so kommt es, dass leider auch unser Verhältnis zu Ed Crane von jener Distanz geprägt ist, die seine mal zynische, mal erfrischend ehrliche Erzähler-Stimme fortwährend zu vermitteln versucht. Emotional involviert fühlt man sich selten bis nie, zu wenig interessiert das Schicksal des Protagonisten. Die Coen-Brüder scheinen es jedoch gerade darauf angelegt zu haben, zu kalkuliert erscheint die Konzeption ihrer Figur. Empathie verspüren wir selten, selbst das Finale lässt einen größtenteils kalt zurück.

Vielleicht liegt der Fokus also viel weniger auf der Person selbst, als auf dem, wofür diese Figur fortwährend steht. Denn betrachtet man Ed Crane einmal genauer, fällt auf, dass hinter Ed Crane nie mehr steckte als ein Stereotyp, der sich sich seiner scheinbaren Wertlosigkeit als Teil dieser Welt sogar bewusst schien. Tragik findet in dieser Allgemeingültigkeit somit weniger Platz. 

Auch visuell funktioniert „The Man Who Wasn't There“ außerordentlich gut. Die gelegentlichen Lichtspielchen und perfekt ausgeleuchteten Szenerien wissen mit der limitierten Farbpalette perfekt zu arbeiten und schaffen stellenweise eine Atmosphäre, die tatsächlich an die amerikanischen Kriminalfilme der 40er und 50er erinnert. Zweifelsfrei, die Ästhetik kann als Selbstzweck angesehen werden, da sie augenscheinlich weder einen dramaturgischen noch einen intendierten Zweck verfolgt und lediglich als Teil einer Hommage zu funktionieren scheint, welche wiederum ebenfalls versucht über fehlende emotionale Identifikationsmöglichkeiten und eine zähe Dramaturgie hinwegzutäuschen, doch hinter den ruhigen Schnitten, der klassischen Musik und der kargen Schwarz-Weiß-Ästhetik verbirgt sich vielmehr als bloß eine technische Hommage an ein einzelnes Genre.

Die Coens sind reifer geworden, sowohl in ihrem Umgang mit den agierenden Darstellern, als auch in der Art und Weise der Inszenierung. „The Man Who Wasn't There“ ist ein Dialog-intensives Meisterstück, das sich ganz seinem überragenden Hauptdarsteller und dem restlichen Ensemble (großartig: James Gandolfini) widmet. Das ist nicht immer so spektakulär und witzig wie „Fargo“ und auch nicht so kultig in seiner gewöhnlichen Figuren-Zeichnung, sondern eher zurückgenommen, unscheinbar, wahrhaftig. Wie Mr. Crane. 

7.5/10

Mittwoch, 20. Juni 2012

"Natural Born Killers" [US '94 | Oliver Stone]

Ein abgefuckter Roadtrip. Medienkritisch, Gesellschaftskritisch. Wütend. Satirisch. Surrealistischer Alptraum für manche, erstrebenswerte Rache-Fantasie für andere. Knapp zwei Stunden Delirium und Gewaltexzesse. Moralisch und politisch zutiefst zweifelhaft. Ein ungemein wuchtiges Hybrid aus Comicsequenzen, Farb- und Schwarz/Weiß-Aufnahmen und bunten Nachrichtenschnipseln. Nonstop Dauerbeschallung durch eine nie enden wollende Audiospur. Jegliche Konventionen scheuend. Laut, schrill. Kein Raum für schauspielerische Entfaltung. Täter, Opfer, allesamt sind sie Karikaturen. Exzentrik in Reinkultur. Menschliche Abgründe tun sich Höllen-gleich vor uns auf. Der Mensch ist ein Sünder, er ist böse und gehört geläutert. Scheinheiligkeit und Doppelmoral gehen einher mit ekelerregender Sensationsgier. Doch hinter der radikalen Inszenierung, der bunten Musikclip-Ästhetik, verbirgt sich eine zweifelhafte Aussage: Absolute Resignation, die Kapitulation vor einer scheinheiligen und amoralischen Wirklichkeit soll die Lösung sein. Den strengen Zeigefinger fortwährend erhoben. Medien sind böse. Die Welt kann nicht mehr gerettet werden. Abartiger und destruktiver Pessimismus. Das Interview ist der entscheidende Dialog. Die Souveränität der Killer, das lächerlich anmutende Gesetzeskonstrukt mitsamt lächerlich anmutender Föhnfrisuren suggeriert, dass eine Rechtmäßigkeit für ihr Tun existiert. Kontrovers? In jedem Fall. Ein guter Film? Eher nicht. 

4/10   

Freitag, 15. Juni 2012

"Hunger" [UK '08 | Steve McQueen]

„Hunger“ löst bei mir ambivalente Gefühle aus: Einerseits möchte ihm seine Daseinsberechtigung als Plädoyer für Menschenrechte gar nicht absprechen und ich erachte es auch für überaus wichtig eine solche – global eher weniger Beachtung findende Thematik – anzusprechen, andererseits komme ich nicht umhin „Hunger“ am Ende des Tages schlichtweg als langweilig zu bezeichnen. Das fängt an bei McQueen's völligem Missverständnis von langen Kameraeinstellungen (Flur-Wisch-Szene) und hört bei dessen offensichtlicher Annahme auf, man könne Betroffenheit in erster Linie durch schockierende Gewaltdarstellungen evozieren. Und dass regelmäßige Close-Ups nicht automatisch emotionale Nähe generieren, sollte dem britischen Regie-Debütanten eigentlich auch klar sein.

Dass „Hunger“ auf visuellem Standpunkt zu jeder Sekunde zu überzeugen weiß, scheint dem Briten jedoch klar zu sein: Jede Einstellung sitzt, jede Kamerafahrt ist wohl überlegt und in gewisser Weise haben dessen Aufnahmen von vollgeschissenen Gefängniszellen eine ganz eigene, obskure Schönheit inne. McQueen hat ein Gespür für Beobachtungen, für Kleinigkeiten, für vermeintlich triviale Dinge, die unter seinem Zusammenspiel von Bild und Ton eine völlig neue Definition von Schönheit erfahren. 

Doch genau hier liegt auch gleichzeitig der größte Schwachpunkt in seiner Regie und in seiner deklamatorischen Inszenierung: Denn was der Brite audiovisuell zu schaffen vermag, versäumt er auf der narrativen Ebene. Seine Bilder sind immer mehr Gemälde, denn Mittel zum Zweck, seine teilweise arbiträren Bildfolgen erinnern bisweilen an Fotografie-Montagen und erfüllen keine Funktion hinsichtlich der filmischen Dramaturgie. Seine Bilder erzählen keine Geschichte, sondern zelebrieren in sich in ihrer eigenen Perfektion. McQueen's Bilder bleiben leider ebenso oberflächlich wie seine Charaktere, die scheinbar willkürlich eingeführt und wieder fallengelassen werden. Daran kann auch keine 17minütige Plansequenz etwas ändern, zumal diese den Eindruck einer leidlich interessanten und zur unnötigen Überlänge breitgetretenen Stammtisch-Diskussion erweckt.

Fassbender wandelt derweil auf den Spuren von Christian Bale („The Machinist"): Mit zwanzig Kilos weniger auf den Rippen, spielt dieser den ersten Hungerstreikenden und das bekannte IRA-Mitglied Bobby Sands. Doch wo Bale seine physisch extreme Figur auch schauspielerisch extrem gut auszufüllen wusste, bleibt Fassbender zunehmend ausdruckslos. Ihm fehlt es an jener Präsenz, die von einem Trevor Reznik ausging. Im fehlt es an jenem Blick, der bereits die Schmerzen, sowohl physisch als auch psychisch erahnen ließ. Fassbender artikuliert zwar die Endwürdigung und McQueen weiß diese auch visuell schockierend und explizit darzustellen, doch beiden mangelt es an Feingefühl und an der nötigen Subtilität. Was bleibt ist ein perfekt gefilmtes, sicherlich auch schockierendes und wichtiges Debüt, das leider jeglicher Emotionalität entbehrt und leider allzu oberflächlich bleibt. Schade.

5/10  

Freitag, 8. Juni 2012

"Beverly Hills Cop III" [US '94 | John Landis]

Es mag mit dem erneuten Wechsel auf dem Regiestuhl zu tun haben, oder einfach damit, dass Murphy nach gut sieben Jahren sichtlich gereift scheint, aber der dritte und damit letzte Teil der Reihe erweist sich – unter anderem der neuen Ernsthaftigkeit geschuldet – als überaus adäquate Franchise-Fortführung. Die Gründe dafür sind vielfältig: Das fängt an, beim fast schon cleveren Plot-Aufhänger (Missglückte Razzia - Boss wird erschossen – Foley will Rache), geht über die wunderbar bösartigen Gegenspieler (ein herrlich schmieriger Timothy Carhart) und hört auf beim eigentlichen Handlungsort (das Freizeitparadies „Wonderworld“). Landis verzichtet glücklicherweise auf eine weitere, unmotivierte Imitation des Erstlings (Teil 2) und schafft sein ganz eigenes Universum. Lediglich Zuschauer-Liebling Judge Reinhold wurde als sympathischer Sidekick erneut übernommen. Teil Drei weist endlich einmal jenes Maß an Kreativität und Einfallsreichtum auf, das Teil Zwei fast gänzlich vermissen ließ. Und auch Murphy scheint sichtlich gereift, so gestalten sich seine Auftritte nun weit weniger nervig über-motiviert. Er erweckt einen konzentrierten, ja beinahe in sich gekehrten Eindruck. Die einen sagen, er habe an Esprit verloren, die anderen er habe sich entwickelt. Er scheint weniger aufgekratzt, mehr fokussiert. Murphy's Anfälle sind pointierter und seltener geworden. Vielleicht hat Landis aber auch einfach nur einen Weg gefunden, mit dem hyperaktiven Spielkind umzugehen. Nichtsdestotrotz bleibt „Beverly Hills Cop III“ natürlich ein Film, der sich sichtlich der Tradition des 90er Jahre-Action-Kinos verschrieben hat: Konflikte sind klar definiert, den Plot versteht jede Amöbe und von Ambivalenz ist der schmierig grinsende Antagonist in etwa so weit entfernt, wie Tatum von einem Oscar-Gewinn. Teil Drei ist ein No-Brainer, jedoch ohne jemals wirklich dumm zu sein. Er macht Spaß, wartet mit einem schön gestalteten Finale auf und ist sympathisch in seiner Naivität. Sicherlich nichts besonderes und ohne die nostalgischen Erinnerungen geht die „Beverly Hills Cop“-Reihe eh nicht, aber wer etwas mit Murphy's sehr eigener Interpretation von Humor anfangen kann, der wird mit Teil Drei sicherlich seinen Spaß haben.  

6/10

Mittwoch, 6. Juni 2012

"Beverly Hills Cop II" [US '87 | Tony Scott]

Und hier ist es, direkt aus der Massen-produzierenden Hollywood-Maschinerie, ein weiteres generisches Zeugnis fehlender Inspiration und akuter Ideenarmut: „Beverly Hills Cop II“. Ging mit dem Vorgänger noch ein gewisses Maß an kreativer Frische einher, bedient sich die Fortsetzung fast ausnahmslos am eigens geschaffenen Universum und einem ebenso plumpen, wie erschreckend austauschbaren Plot. Für Fans des ersten Teils gibt es währenddessen ein glückliches Wiedersehen mit alten Bekannten (Reinhold und Ashton machen sich trotz schlechter Sprüche als Sidekicks immer noch formidabel), sowie eine fast identische Einführung in die Welt von Beverly Hills. 

Überhaupt bleibt „Beverly Hills Cop II“ erschreckend einfallslos und weiß jedwede tiefer-gehenden Veränderungen am eigenen Kosmos gänzlich zu verhindern. Brigitte Nielsen (!) als wasserstoffblonde Kampf-Amazone stellt dabei auch nicht unbedingt eine Verbesserung zum Vorgänger dar. Die Konzeption ihrer Figur folgt dem ewig gleichen Baukasten-Prinzip und ist ausnahmslos auf jene eindimensionalen Attitüden reduziert, die schon bei ihrem Vorgänger nicht wirklich funktioniert haben (Jürgen Prochnow als eigentlichen Drahtzieher, hätte man angesichts der kaum vorhandenen Screen-Time auch vollständig außer Acht lassen können).

Es ist schon beeindruckend zu sehen, wie „Beverly Hills Cop II“ die Stärken seines Vorgängers fast durchweg vermissen lässt und gleichzeitig dessen größte Schwächen derart zu vertiefen vermag. Die Action-Sequenzen, die im ersten Teil noch einige schwache Momente zu kaschieren vermochten, kommen nun derart hektisch und wirr geschnitten daher, dass selbst explodierende Autos und wilde Verfolgungsjagden den Eindruck eines lieblosen B-Movies erwecken. Ein gelungener Seitenhieb auf den ursprünglich geplanten Stallone entlockt einem angesichts solcher Schwächen auch nur noch ein müdes Lächeln. 

Und hier erweist sich Eddie Murphy einmal mehr als das Zugpferd eines Franchises, das eigentlich noch gar nicht zu einem solchen herangereift war. Dieser bewegt sich mit seinem mal prollig-blöden, mal erfrischend-ehrlichen Infantilismus nämlich hart an der Schmerzgrenze und muss einmal mehr seine enorme Leinwandpräsenz unter Beweis stellen. Ob diese hyperaktive Nervensäge aber nun saukomisch, oder einfach nur saunervig ist, hängt letztlich vom Zuschauer ab und ob man ihm diese wüste Zerstörungs-Orgie ohne jegliches Gefühl der Bedrohung verzeiht. Ich für meinen Teil, schaue mir dann lieber nochmal „Die Hard“ an, vielleicht gehen meine Kopfschmerzen dann wieder weg...

3/10

Freitag, 1. Juni 2012

Zuletzt gesehen: Mai 2012

"Nicht auflegen!" [US '02 / Joel Schumacher] - 6.5/10

"3000 Miles to Graceland" [US '01 / Demian Lichtenstein] - 6/10

"Scrubs" [US '08 / Season 8] - 7/10

"Beverly Hills Cop III" [US '94 / John Landis] - 6/10

"LOL (Laughing Out Loud)" [FR '08 / Lisa Azuelos] - 5/10

"Mar adentro" [IT, ES, FR '04 / Alejandro Amenábar] - 6.5/10

"The Sopranos" [US '99 / Season 1] - 7/10

"Sherlock: Ein Skandal in Belgravia" [UK '12 / Paul McGuigan] - 7/10

"Natural Born Killers" [US '94 / Oliver Stone] - 4/10

"Up in the Air" [US '09 / Jason Reitman] - 4.5/10

"The Thing" [US '82 / John Carpenter] - 7/10

"Élève libre" [BE, FR '10 / Joachim Lafosse] - 5/10

"Alice im Wunderland" [US '10 / Tim Burton] - 6.5/10

"The Avengers" [US '12 / Joss Whedon] - 7/10

"Sherlock: Die Hunde von Baskerville" [UK '12 / Paul McGuigan]  - 4/10

"Sherlock: Der Reichenbachfall" [UK '12 / Paul McGuigan] - 8/10

"Amores Perros" [MX '00 / Alejandro González Iñárritu] - 7/10

"Red Cliff" [CN, US '08 / John Woo] - 3/10