Sonntag, 30. Dezember 2012

"Blade Runner" [US '82 | Ridley Scott]

Andauernder Regen. Die Stadt vergraben unter einer dunklen, immerwährenden Wolkendecke. Chronische Überbevölkerung gesellt sich zu moralischen Grundsatzdebatten. Die Welt ist verloren, die Technik längst auf ihrem Zenit angelangt. Die Bauten verkümmert, die Reklameschilder hell erleuchtet. Eine dunkle Stadt, ebenso heruntergekommen wie das soziale Gefüge, welches es beherbergt und ständiger Regen begleiten den Blade Runner (Harrison Ford) bei seinen Ermittlungen. Ein klassischer (Anti)-Held im Noir-typischen Trenchcoat. Wortkarg, manchmal verschmitzt lächelnd, meistens konzentriert...

Fernab aller Genregrenzen und doch so sehr Genrefilm. „Blade Runner“ bedeutet ein sich allen dramaturgischen Mustern und herkömmlichen Konventionen versagendes Erlebnis. Stilistisch irgendwo zwischen schillernd-schmuddeliger Noir-Referenz und unablässig pulsierender Zukunftsversion angelegt, die trotz ihrer Reduktion auf wenige Charaktere den Anspruch von epischer Größe in sich trägt. Der Cyberpunk ist geboren. So essenziell, wie unfassbar. Konträr zu allem, was seinerzeit die Kinokassen und damit die Massen beherrschte und so anders in seiner Konzeption, dass das letztliche Scheitern vor einer Vielzahl von Zuschauern gerade zu logisch erscheint.

Avantgardistische Set-Konstruktionen treffen auf das reduzierte Schauspiel eines jungen Wilden, traumartig-betörender Score auf makellos schöne Unschuld (Sean Young) und die nie wieder so zurückhaltende Regie eines Ridley Scott auf einen wie entfesselt agierenden Rutger Hauer. „Blade Runner“ wird geboren aus der Zusammenkunft großer Talente und dem Zusammenspiel glücklicher Umstände. Narrativ ist er nie wirklich greifbar und immer bis zum äußersten entschleunigt, eine Absage an den Mainstream. 

Hoffnung existiert in diesem Großstadtmoloch nicht. Schöpfer und Konstruktion sind begriffen vom menschlichen und substanziellen Zerfall. Die Städte sind überbevölkert, Einzelschicksale sind bedeutungslos. Es existieren ungeahnte technische Möglichkeiten und doch geht die Erde und damit gleichbedeutend das Individuum dem Ende hinzu. Metropolen sind ethnisch-religiöse Slums, zerfressen von Egoismus und abhanden gekommener Empathie. Die Umwelt ist ausgebeutet, Hoffnung spendet einzig allein die Aussicht auf ein neues Leben, auf einem anderen Planeten. Grenzen verschwimmen innerhalb einer Wissenschaft, die keine Grenzen mehr kennt und Moral tritt ins Abseits in einer von individueller Geltungssucht dominierten Gruppierung schattenhafter Seelen.

Eine amoralische Gesellschaft spielt Gott. Aus dem Zusammenspiel von wissenschaftlichem Größenwahn und kollektiver Sehnsucht nach Menschlichkeit gehen schließlich die Replikanten hervor. Ebenso synthetisch, wie die Welt, die sie hervorgebracht hat; eine abermalige Reproduktion göttlichen Ebenbildes. Schöpfer und Kreation begegnen sich auf ein und derselben Ebene. Verantwortung übernimmt letztlich gerade jene vermeintlich nicht achtenswerte Kreatur, die im Grunde nur für das kämpft, was ein jeder Mensch begehrt: Leben. Ein Replikant sorgt für das prägende Moment in "Blade Runner"; ein Satz, der die Intention eines Meilensteins des Science Fiction-Genres perfekt zusammenfasst:

"It's too bad she won't live! But then again, who does?"

10/10 

Freitag, 28. Dezember 2012

"The Walking Dead" - Season 2

Unsere kleine Farm im vergammelten Zombie-Gewand. Telenovela-Talks inm apokalyptischen Rahmen. Beziehungskisten und Verflechtungen auf'm Bauernhof. - So richtig weiß ich „The Walking Dead“ ja immer noch nicht einzuordnen. Für eine Drama-Serie mangelt es an interessanten Charakteren und für ein spaßiges Schlachtfest passiert schlichtweg zu wenig. Und doch scheinen die Macher um Frank Darabont tatsächlich dem Irrglauben aufgesessen zu sein, all diese grandios blöden Dialoge und vielsagenden Blicke seien tatsächlich der primäre Grund für das Einschalten des Fernsehgerätes. All die Irrungen und Wirrungen innerhalb der künstlich verkomplizierten Figuren-Beziehungen belegen aber eindrucksvoll das komplette Unvermögen der Macher, Menschen und deren Gefühle vor dem Hintergrund einer zusammenbrechenden Gesellschaftsordnung über eine oberflächliche Ursache-Wirkung – Motivik hinaus zu erforschen. Komische Serie.  

4/10

Donnerstag, 27. Dezember 2012

"The Walking Dead" - Season 1

So interessant die Ausgangsidee und die der Serie zugrundeliegenden Graphic Novels auch sein mögen, so wenig ragt „The Walking Dead“ schließlich aus der Vielzahl hochwertiger Qualitäts-Serien aus dem Hause HBO und Co heraus. Schlecht ist die Serie um den Polizisten Rick Grimes und eine Gruppe Überlebender deshalb aber dennoch nicht - eben nur nichts wirklich Besonderes. Das liegt zum einen an einer ungelenken Spannungskurve, zum anderen – und dieser Umstand wiegt um einiges (!) mehr – an einem hochgradig uninteressanten Figurengefüge. Es kann nicht in der Intention einer Survival-Serie liegen, dass man sich als Zuschauer den möglichst baldigen Qualentod einer Vielzahl Überlebender wünscht. Oder um konkret zu werden: Das keifende Biest von Mutter, mitsamt abgrundtief nervigem Balg weckt selten dagewesene Antipathien, Cowboy Nr. 2 und des Protagonisten bester Freund schauspielert außer Konkurrenz und den Rest der Gruppe hat man eigentlich schon wieder vergessen. Selten war es in Zeiten einer Apokalypse so egal, ob nun jemand stirbt oder eben nicht und selten waren Seriencharaktere derart schmerzhaft eindimensional konzipiert. Eigentlich der Genickbruch für eine jede Serie, doch „The Walking Dead“ reißt mit der eigentlichen Prämisse der Zombie-Apokalypse doch noch einiges heraus. Die Gewalt ist angemessen brutal, die einzelnen Episoden recht selten langweilig und ein bisschen interessiert es ja dann doch, welcher „Charakter“ denn nun als nächstes in Stücke gerissen wird. Achja, und natürlich Zombies! Äh pardon: „Walker“.  

5/10

Samstag, 22. Dezember 2012

"Manche mögen's heiß" [US '59 | Billy Wilder]

Billy Wilder's verspielt-schlüpfrige Maskerade. Sinnlich, elegant und sexy wie eh und je ist die Diva Monroe; scharfsinnig, smart und ironisch ihre beiden Verehrer. Dem Eskapismus seiner Epoche entzieht sich Wilder bereits in der Einleitung: Rachsüchtige Gangster, erbarmungslose Tötungskommandos und komische Razzien - ein ausgiebiger Flirt jenseits der vermeintlichen Genre-Grenzen. Trotz des Zugeständnisses an gewisse Hollywood-Mechanismen bleibt die Realität der primäre Bezugspunkt. Schmerzhafter Realismus im goldenen Hollywood-Gewand quasi. Armut, Kriminalität und moralische Verkommenheit in aller Leichtfüßigkeit präsentiert, aber nie verklärt. Scharfsinnige Dialogzeile folgt auf scharfsinnige Dialogzeile, rasante Inszenierung auf stille Genre-Erweiterung. Unter all dem Glanz, hinter der zum brüllen komischen Fassade verbirgt sich aber nicht mehr als die Realität selbst. Die beiden Verehrer leben in Armut, die Straßen sind korrumpiert von skrupellosen Gangster-Organisationen, das so anmutig erscheinende Divchen hat Alkoholprobleme. Wer gefallen will, muss lügen. Wer akzeptiert werden will, verleumdet seine wahre Identität – zumindest bis zum optimistischen Schlussakt. Verpackt ist alles in Glitzerfolie und hoch ironischen Humor in Verkörperung des überragenden Darsteller-Duos Curtis und Lemmon. Musikalisch ebenso nostalgisch, wie sinnlich arrangiert. Marilyn Monroe spielt gekonnt mit ihrem eigenen Image, singt im tief ausgeschnittenen Abendkleid ihren Klassiker „I wanna be loved by you“ und verzaubert mit jeder Dialogzeile und jedem scheinbar willkürlichen Lächeln. Billy Wilder's Genre-sprengender Genre-Beitrag ist seiner Zeit voraus und endet in der perfekten Schluss-Sequenz mit dem oft zitieren Satz „Nobody's perfect“. Ein Satz, dem im Kontext seiner Zeit eine immense Bedeutung zukommt. Verneigung. 

8.5/10

Samstag, 15. Dezember 2012

"Fight Club" [US '99 | David Fincher]

Nach wie vor eine ebenso kraftvolle, wie mutige Meditation über Existenz und Sinnfragen, sowie voraussichtlich Fincher's Opus Magnum für alle Ewigkeit. Die große Stärke von „Fight Club“ liegt dabei primär in seiner Deutungs-Vielfalt. Man es also nicht für bare Münze nehme, wenn Tyler Durden zum gewaltsamen Aufstand gegen den Turbo-Kapitalismus aufruft und es auch ganz und gar nicht in der Intention des Filmes liegt, nach Feierabend den wütenden Revoluzzer heraushängen zu lassen. Hinter der herausragend inszenierten Fassade von „Fight Club“ verbirgt sich vielmehr der Aufruf zur kritischen Betrachtung von Medien, seiner Strahlkraft auf gesellschaftliche Gruppierungen und die Instrumentalisierung eben jener zur Erhaltung von profitablen Machtstrukturen. Oder in wenigen Worten: Fincher übt Gesellschaftskritik. Und das mit der nötigen Radikalität.

In einer nie wirklich ernst gemeinten Alternative, in der Männer zwischen schwitzenden Körpern, angeknacksten Rippen und von Blut verschmierten Fratzen das Gefühl des Schmerzes als Befreiung verstehen, verhandelt Fincher gesellschaftliche Missstände, die in der Definition von Anzugtragenden Ökonomen eigentlich gar nicht existieren dürften. In einem Leben im Überfluss, der finanziellen und materiellen Sicherheit, in Zeiten ohne Kriege und ohne große Krisen, sehnt sich eine Generation ohne Aufgaben nach einem Sinn in einem von Repetition und scheinbarer Sorglosigkeit geprägten Dasein. 

„No purpose or place. We have no Great War. No Great Depression. Our Great War's a spiritual war... our Great Depression is our lives.“

Der Dekadenz der westlichen Wohlstandgesellschaft – scheinbar versunken unter Burger-Portionen und chronischer Dauermasturbation - setzt Fincher die Rückkehr zu den Ursprüngen entgegen. Der inszenierte Überlebenskampf ist nur Teil einer Besinnung auf das animalische, auf das primitive. Schmerz ist ein unmittelbares Gefühl. Ursache und Wirkung sind offensichtlich. Zum Nullpunkt gelangen bedeutet letztlich also nicht mehr, als sich von all jenem loszusagen, was uns medial seit unserer Geburt mit einer perversen Penetranz suggeriert wird. Zu sich finden bedeutet, sich zunächst von allem anderen zu lösen. Befreit von der gesellschaftlichen Zwangsjacke und damit befreit von allen damit einhergehenden Tabuisierungen, Reglementierungen und Bestimmungen, Gesetzen und Auflagen, als auch von materiellem Besitz. Die ironische Lösung bedeutet das Auflösen der bestehenden Ordnung in Chaos und Anarchie.

Fincher's Roman-Adaption verweigert sich aber schon deshalb einer dogmatischen Lesart, weil er letztlich nicht einmal seinem eigenen Werk eine vorsätzliche Manipulation des Publikums versagt. Man sieht für kurze Zeit den Penis, den Durdem an anderer Stelle im Film thematisiert. Er manipuliert ebenso, wie es Industrien und Regierungen tun. Es ist der finale Aufruf zur kritischen Betrachtung von allem, was uns präsentiert wird. Die Ermutigung hinter die Kulissen, hinter das Offensichtliche zu blicken. Ein großes Meisterwerk also und nichts anderes. 

9/10

Samstag, 8. Dezember 2012

"Beim Leben meiner Schwester" [US '09 | Nick Cassavetes]

Betroffenheits-Kitsch der aller übelsten Sorte. Schon so sehr Hollywood-Klischee, dass es beinahe karitative Züge annimmt. Eine grauenhafte Krankheit nimmt Nichtskönner Cassavetes zum Anlass selten so deplatzierter Dramatisierung: Pausenlos wird ein fürchterlich beliebiger Klangteppich über synthetisch anmutende Breitwandbilder und "dramatische" Slow-Motion-Einstellungen gestülpt. Keine Sekunde hält er ohne sein abartig sentimentales Pop-Gedudel aus. Ständig klimpert jemand auf der Gitarre herum oder prügelt betroffen auf die Klaviatur ein. Gefühlskino grandios missverstanden: Denn Kitschnudel Cassavetes scheint unfähig Figuren und deren Emotionen vor dem Hintergrund des hier gezeigten Schicksals zu erforschen und annähernd adäquat auf die große oder kleine Leinwand zu transferieren. Seine mehrperspektivische Erzählung bleibt ein narratives Gimmick, Emotionen bleiben pure Affektion und Bildsprache bleibt hoffnungslos pathetisch. Das ist alles so traurig und doch so falsch.  

3/10

Montag, 3. Dezember 2012

Zuletzt gesehen: November 2012

"The Walking Dead" - Season 1 [US '10 | Frank Darabont] - 6/10

"The Walking Dead" - Season 2 [US '11 | Frank Darabont] - 4/10

"Spun" [SE, US '02 | Jonas Åkerlund] - 5/10

"Jackie Brown" [US '97 | Quentin Tarantino] - 7/10

"Lethal Weapon" [US '87 | Richard Donner] - 5/10

"Ruby Sparks" [US '12 | Jonathan Dayton & Valerie Faris] - 6.5/10

"Brokeback Mountain" [US '05 | Ang Lee] - 7/10

"Final Destination" [US '00 | James Wong] - 5/10

"So finster die Nacht" [SE '08 | Tomas Alfredson] - 7/10

"The Others" [FR, ES, US '01 | Alejandro Amenábar] - 6/10

"Skyfall" [UK, US '12 | Sam Mendes] - 6/10

"Frantic" [US, FR '88 | Roman Polanski] - 5/10

"Fright Night" [US '85 | Tom Holland] - 5.5/10

"The Rock" [US '96 | Michael Bay] - 5/10

"Following" [UK '98 | Christopher Nolan] - 6/10

"Beim Leben meiner Schwester" [US '09 | Nick Cassavetes] - 3/10

"Secretary" [US '02 | Steven Shainberg] - 6/10

"Auf der anderen Seite" [TR, DE '07 | Fatih Akin] - 7/10

"Clockwork Orange" [UK '71 | Stanley Kubrick] - 8.5/10

"Antichrist" [DE, DK, FR etc. '09 | Lars von Trier] - 5/10

"Kurt Cobain: About a Son" [US '06 | AJ Schnack] - 6.5/10

"Sunshine" [UK, US '07 | Danny Boyle] - 5/10

"Leaving Las Vegas" [US '95 | Mike Figgis] - 6.5/10

"Valerie" [DE '06 | Birgit Möller] - 6/10

"Wild at Heart" [US '90 | David Lynch] - 7/10