Sonntag, 11. August 2013

"Die innere Sicherheit" [DE '00 | Christian Petzold]

Weite Handlungsteile rücken bei Petzold immer wieder in den Hintergrund; stattdessen verbannt er sie ins Off und eröffnet somit vor allem einen uneingeschränkten Blick auf die Figur der Jeanne (authentisch: Julia Hummer). Es ist ihre Perspektive, die diesen Film bestimmt und nicht die vordergründige Geschichte um ehemalige RAF-Terroristen, aufreibende Landesflucht und stetige Überwachungsangst. 

Es ist die Einsamkeit und die erste Liebe, die Petzold zum Thema macht. Deshalb ist „Die innere Sicherheit“ trotz seines augenscheinlich darauf ausgelegten Plot-Konstruktes auch kein Thriller; überhaupt sollte der durchschnittliche „Tatort“-Zuschauer seine Erwartungen an einen herkömmlichen Kriminalausflug ganz gewaltig korrigieren.

Eine entscheidende Rolle spielt die Angst der Protagonisten: Angst vor einem unermüdlichen Justizapparat, Angst vor gerechter Strafe und ganz besonders die Angst um den Verlust der eigenen Freiheit, wobei sich gerade hierbei die Frage stellt, wie frei diese getriebenen Existenzen denn nun wirklich sind und ob ein Ende ihrer 15 Jahre währenden Flucht nicht gleichzeitig auch Erlösung bedeuten würde. Die moralische Fragwürdigkeit seines Elternmodells (toll: Richy Müller und Barbara Auer) verklärt Petzold dabei auch viel weniger, als dass er sie in stillen Totalen und pointierten Dialogabschnitten zu erforschen weiß.

Gewalt und Verbrechen (obwohl selten vorkommend) wird immer auch die Ambivalenz der Zusammenhänge von Motiv und Aktion als ganz zentraler und für eine differenzierte Betrachtung unerlässlicher Aspekt hinzugefügt. Der Verantwortung gegenüber der eigenen Tochter und dem sehnlichen Wunsch nach einer Ordnung in einem von Rastlosigkeit geprägten Dasein setzt Petzold auch die Verantwortung gegenüber der eigenen Vergangenheit und den begangenen Verbrechen entgegen.

Widersprüche, die sich schließlich auch in der Situation von Jeanne wiederfinden, wenn sie sich vor der Entscheidung zwischen ihren Eltern und einer flüchtigen Liebschaft stehen sieht. Der Illusion der wahren und einzigen Liebe versagt sich der Film auch hier deutlich und begreift Jeanne's Beziehung vor allem als Ausdruck entdeckter Sexualität und andauernder Einsamkeit. Für großes Glück ist in diesem Spiel auf Zeit ebenso wenig Platz, wie für wahre Freiheit. Sicher ist hier nichts und ein Ende findet ihre Reise schließlich so oder so. 

„How can we hang on to a dream; How can it ever be the way it seems“  

7/10

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