Montag, 29. September 2014

"Panic Room" [US '02 | David Fincher]

Stark! Fincher's stets als Fingerübung ausgewiesene fünfte Regie-Arbeit belegt lediglich die herausragende Qualität seines bisherigen Schaffens. „Panic Room“ ist von vorne bis hinten grandios gespielt, stets gnadenlos körperlich und von Fincher, der das Tempo im richtigen Moment anzieht, den Schnitt ausspart und die Kamera quasi das gesamte Apartment durchfahren lässt, exzellent in Szene gesetzt. Und obwohl der Handlungsort aufs Äußerste komprimiert ist, steht den Figuren der Schweißfilm auf der Stirn und die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Denn das kann Fincher wie kein zweiter: Bewegung erzeugen, wo der Raum Stillstand verlangt, räumliche Begrenzungen kreativ überwinden, Stilblüten anordnen, Struktur nicht mit Stillstand verwechseln. Howard Shore wandelt mit seinem mal gleitenden, mal treibenden Score derweil auf den Spuren Polanski's, versteht Filmmusik demnach in erster Linie als Klangteppich, der sich nur ganz nuanciert aufbäumt, tosend wird, auflehnt, um im gleichen Moment wieder in sich einzukehren. Wichtiger noch ist Koepp's Vorlage, die keinen Bullshit macht. Von der ersten, bis zur letzten Minute macht das alles Sinn. Jede Handlung ist nachvollziehbar, keine Figur bloß Statist (Polizist) und Sentimentalitäten grenzt Koepp auf Kosten einer womöglich allzu toughen Mutter-Tochter-Konstellation gänzlich aus. Selbst für lakonisch-schwarzen Humor ist hier noch Platz. Jodie Foster gibt resolut eine dieser raren wirklich starken Frauenfiguren im Fincher-Kosmos, an ihrer Seite agiert eine sehr junge, gute Kristen Stewart. Ansonsten war Home-Invasion nie ansteckender, spannender und im richtigen Moment auch richtig schön schmerzhaft. 

7/10

Samstag, 27. September 2014

"The Deer Hunter" [US '78 | Michael Cimino]

Ein schwieriger und mutiger Film, der eigenwillige Schwerpunkte setzt und kraftvolle, ungewöhnliche Momente voll stillen Schmerzes entwirft. Die wenigen Sequenzen, die tatsächlich Vietnam zum Handlungsort haben, sind auch nach dreißig Jahren noch wirkungsvoll und arbeiten über die perverse Situation des Russisch-Roulette präzise mit dem Motiv der Willkür des Todes in einem Krieg, der eigentlich nie zu gewinnen war. Krieg ist hier ein brütend heißer, dampfender Ort, den man so schnell wie möglich wieder verlassen möchte und die Städte sind bebende Slums, in denen die Prostitution und das Glück regiert. Überhaupt, wer hier überlebt, hat einfach nur Glück gehabt. An der Darstellung des vietnamesischen Volkes, das hier in erster Linie als zockendes, menschenverachtendes Kollektiv gezeigt wird, kann man sich stoßen, wenngleich diese Vorwürfe dadurch, dass es sich in diesen Fällen zumeist um Mitglieder des Militärs handelt, einigermaßen entschärft werden können. DeNiro, Walken und Streep jedenfalls liefern hier absolute Glanzleistungen ihrer großen Karrieren ab, während sich „The Deer Hunter“ drei Stunden lang hingebungsvoll ihren facettenreichen Figuren widmet, immer wieder überrascht und jedem seine Zeile oder einfach einen stillen Moment gönnt. Die zynische Schlussszene verdeutlicht überdies die Zerrissenheit des Amerika der 70er Jahre, während auf Streep's Gesicht der Schmerz einer zutiefst verunsicherten Nation Ausdruck findet. Gleichzeitig versucht DeNiro die Haltung zu wahren und schreit in sich hinein. Solche Filme werden heute einfach nicht mehr gemacht. 

7.5/10

Samstag, 20. September 2014

"The Last Kiss" [US '06 | Tony Goldwyn]

Das erste Mal habe ich „The Last Kiss“ als heranwachsender Geschmacks-Verwirrter und einigermaßen großer Zach Braff-Fan gesehen. Circa sechs Jahre später, heute also, wollte ich mich diesem naiv-schönen Nichts erneut begeistert widmen - und scheiterte. „The Last Kiss“ ist vom Schlechten zu viel und vom Guten zu wenig, und er nutzt seine Chancen einfach nicht. Das schwammige Drehbuch versucht zwar irgendwo abseits der üblichen Schemata eine eigene Sprache zu finden, verfolgt aber keinen der thematischen Ansätze ernsthaft bis zum Schluss. 

Die Ambition gleich eine Hand voll Beziehungen – vom kürzlich getrennten Verzweifelten bis hin zum alten Ehepaar - und ihr scheinbares Scheitern zu sezieren, führt leider nur zu oberflächlichen Figurenskizzen und Beziehungsumrissen, von denen kein Part genügend Gelegenheit bekommt, sich konsequent von A nach B zu entwickeln, zumal sich die heraufbeschworenen Konflikte mit Coldplay-Mucke und unglaublich kitschigen One-Linern aus der Mottenkiste schlussendlich viel zu schnell in Wohlgefallen auflösen. 

Es fehlt einfach überall ein bisschen, niemand ragt heraus, reißt außerhalb seiner Figurenkonzeption irgendetwas oder geht ein Risiko ein - Braff ist er selbst, Barrett als Männer-verstehende Traumfrau einigermaßen beliebig und gerade wenn sie gegen Ende in ihre viel zu hysterische Rolle gedrängt wird auch erstaunlich unsympathisch. Tom Wilkinson als altväterlicher, Pseudo-Weisheiten-verbreitender Ignorant und Bilson in einer weiteren Nerv-Rolle komplettieren den Kreis jener, die sich einem Drehbuch ausgesetzt sehen, dass sich dann doch immer wieder dorthin drängt, von wo es sich eigentlich distanzieren möchte – dem einfachen Genre-Vertreter. 

„The Last Kiss“ ist dabei fortwährend ein zutiefst amerikanischer Film, und das ist okay, integriert er das amerikanische Selbstverständnis doch in einen geerdeten Rahmen. Wie es die Probleme und Ängste im Alltag aber nun zu bewältigen gilt oder ob eine Trennung manchmal vielleicht doch die beste Lösung ist, lässt der Film unbehandelt und beugt sich dem common sense seines Genres. Dass sich am Ende dann doch niemand trennt und scheinbar alles wieder ganz toll ist, widerstrebt dabei nicht nur den Figuren, sondern offenbart darüber hinaus auch eine überaus verquere Weltsicht, in der eine Scheidung und die Trennung des gemeinsamen Weges offenbar mit der Vorstellung eines traditionellen, alles auflösenden Happy Ends kollidiert. Nostalgie kann manchmal eben auch ein Fluch sein.

4/10