Samstag, 11. April 2015

"Paprika" [JP '06 | Satoshi Kon]

Seltsam: die formale Tadellosigkeit von „Paprika“ - die präzisen, Detail-versessenen Animationen und damit das Zeugnis absoluter, zeichnerischer Meisterschaft - werden im Angesicht des behandelten Sujets fast schon zur Irritation. Denn Träume sind nie so klar, nie solch perfekt ausgeleuchtete Fahrstuhl- und Korridor-Architekturen, die sich zwar verbiegen und deren Schatten wandeln, die aber immer in erkennbaren Formen verbleiben. Träume verschwimmen, bleiben Skizzen, fließen ineinander über und sind nie da, sondern nur zu vermuten. Träume sind vage Trugbilder und Ausdruck des Unterbewusstseins, ungeordnete, unverarbeitete Kinofilme ohne Zensur und Laufzeitbeschränkung. Im Traum wird plötzlich alles Wirklichkeit, es gibt keinen Anfang und kein Ende und damit auch keine Credits, die entlarven könnten, wer hinter allem steckt. Kon's frühere Arbeit „Perfect Blue“ kommt der visuellen Stimme von (Alp-)Träumen sogar näher; dem Gefühl vollkommener Orientierungslosigkeit und der Ungewissheit über nachhaltige Konsequenzen. Hier scheint der Traum der Film zu sein. Der künstlich geschaffene Traum, in dem zumindest die Konsequenz eigener Handlung obsolet wird. Aber auch hier begeben wir uns in die Dunkelheit und die künstliche Isolation erschafft die Illusion eines Klartraums – mit dir in der ersten Reihe, der Voyeur ohne Einflussmöglichkeit. „Paprika“ ist ein Film über Filme. Und Filme sind Träume. Und Träume haben keine Grenzen, und keine Genre-Vorgaben, keinen Geldgeber und keine Zielgruppen. Wenn Kon einen Film über Träume macht, macht er also auch einen Film über den Wert und die Heiligkeit des Kinos, und darüber, dass Kino keine Angst und keine Grenzen kennen darf. Die Träume gehören dir und müssen über alles verteidigt werden. 

7/10 

2 Kommentare:

  1. Ganz toller Film, ein visuelles Fest. Schade, dass Kon schon verstorben ist.

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    1. Jep, bin gespannt was aus seinem unvollendeten Abschlusswerk noch wird.

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