Sonntag, 3. Januar 2016

"Elena" [RU '11 | Andrey Zvyagintsev]

Ein präziser, gut beobachteter, vielschichtiger und komplexer Film, der viele Themenkomplexe anbietet, von denen sich jeder greifen mag, was er will. Mein „Elena“ erzählt in erster Linie von verschiedenen Formen der Gewalt – eine, die aus der Repression und Frustration erwächst und einer, die rituell die Zugehörigkeit zu einer Gruppe beschließt. Der erste Gewaltakt ist ein Resultat der Frustration um eine fast ausschließlich routinisierte Ehe, die in einer tristen Alltagswelt verortet ist. Zudem bricht sich im Mord am Ehemann auch die Frustration um unerfüllte Träume und die Machtlosigkeit im eigenen Lebensentwurf bahn. Elena verblieben begrenzte Handlungsoptionen, um aus dem Gefängnis Ehe auszubrechen und die Aussicht auf ein besseres Leben für die unterprivilegierte Familie ihres Sohnes zu erhalten. Der zweite Gewaltakt ist physischer, seinem sozialen Milieu entsprechend und im Grunde selbsterklärend. „Elena“ eint die Gesellschaft im Akt der Gewalt. Wo Gewalt in dem einen Milieu jedoch lediglich das tumbe, in gewisser Weise ehrliche Ausleben von Trieben bedeutet (ein Schlag in die Fresse provoziert eine konkrete, physische Reaktion), bedeutet es im anderen Milieu die vollständige Verrohung gesellschaftlicher Strukturen, die der Film in einem Dialog zwischen Vater und Tochter bereits nihilistisch andeutet. Elena's Mord geschieht aus Kalkül, sie infiltriert die High Society und lässt die Trainings-Anzug-tragenden, dauerschwangeren Langzeitarbeitslosen in ihre Paläste einkehren. „Elena“ entbehrt dementsprechend schon nicht eines gewissen, rabenschwarzen Humors. Auch wenn einem das Lachen bisweilen im Halse stecken bleiben möchte. Für das Leben im Elfenbeinturm!

6.5/10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen