[…]
Die vielfältig gearteten Formen der Obdachlosigkeit zeigt „Homme
Less“ erst gar
nicht auf – und das soll er auch gar nicht. Regisseur Thomas
Wirthensohn
zentriert ausschließlich ein Einzelschicksal und stellt es in den
Mittelpunkt. Ihm scheint mehr um ein Porträt Reays gelegen und darum
dessen Spuren bis hin auf das Dach eines New Yorker
Apartmentkomplexes nachzuspüren, statt eine ausführliche
Milieustudie betreiben zu wollen. […] Zwei Jahre lang begleitete
Wirthensohn den obdachlosen Fotografen im Stile einer teilnehmenden
Beobachtung, skizzierte dessen Alltag, führte Gespräche, heftete
sich an dessen Fersen oder überließ dem Schauspieler Reay ganz
einfach die Bühne. Der Zuschauer wird dabei zum Komplizen und
Wirthensohn rückt ihn mit entsprechenden Bildern ganz nah heran:
intime Momente scheinbar wahrhaftig verlebter Emotionen in
verwackeltem Digitalbild, die Kamera im Nachtmodus, um den sich im
Schlafsack verkriechenden Reay auch wirklich von morgens bis abends
beobachten zu können oder dessen Gesicht in der Großaufnahme –
die Gesichtsfurchen, die mit Mitte fünfzig eben ihre Kreise ziehen,
die grauen Bartstoppeln oder das dünner werdende Haar, das durch die
Pomade hindurch umso deutlicher sichtbar wird. [...]
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