Ich verstehe diese Welt
nicht. Warum ist hier jeder wie 'ne Nutte bepinselt? Und wo kommen
diese grässlichen Tapeten her? Warum darf hier nur zwischen
emotionalen Extremen geschwankt werden und jede Regung scheinbar nur
wild gestikulierend, laut krakeelend ausgespien? Warum sind hier alle
so voll von sich selbst und so falsch in Gesellschaft? Bei
Streitgesprächen wackelt die Kamera und schwenkt was das Zeug hält,
weil das ja die Desorientierung und innere Unruhe der Protagonisten
direkt physisch spürbar macht. Zwischendurch pumpen Pop-Songs
vergangener Dekaden und Leute von der Fashion-Week laufen in Zeitlupe
Straßen hinunter – sowieso ein typisches Dolan-Bild. Vor lauter
Gefühlen, Tränen und Schmerz in exaltierter Ausgestelltheit spüre
ich in dessen dritter Regie-Arbeit aber leider gar nichts mehr. Und
sein redundanter Inszenierungsstil wird in der exorbitanten Lauflänge
umso deutlicher spürbar. Dolan ist nicht doof und seine Themen
brisant. Es ist nicht so, dass sich hinter der verschmierten Mascara
nur Leere verbirgt und hinter den Klamotten nur Plattitüden. Aber
leider zieht er es vor über Penetranz, statt über Details zu
erzählen. Und leider zieht er eine Welt vor, in der nur der gehört
wird, der am lautesten schreit und der am buntesten gekleidet ist.
Ein Ort voller extrovertierter Hedonisten, die der Welt den
lackierten Mittelfinger entgegenstrecken und die Borderline zum
Zuhause machen. Leider lebt dieser Dolan in einer anderen Welt und
womöglich ist das auch okay und gar nicht so traurig wie ich mir
einreden will. Filmliebhaber anyway.
4/10