Samstag, 27. August 2016

"Smallville" [US '04 | 4x18]

Unerträglich. „Smallville“ ist unerträglich. Nicht gut gemacht. Nein, kein Stück gut gemacht. Nichts im Vergleich zu den Qualitätsserien, die heute aus dem Boden sprießen und die ich trotzdem nicht schaue. Einfach kein Vergleich, in jeder Hinsicht. Fingernägel-kräuselndes CGI-Gelump, kitschige Pop-Songs, Schauspieler, die durch Szenen pflügen - drei Ausdrücke: Überraschung, Angst, tranig-verliebt. Ganz besonders Lana. Oh, Lana, du exotischer Windhauch. LL - da sind sie wieder, die Doppelinitialen, der signature move der Comic-Schreiber: Lex Luthor, Lana Lang, Lois Lane. Aber Lana, du bleibst immer etwas besonderes. Mit deinen großen Augen, und dem einen Ausdruck: tranig-verliebt, gleichzeitig sehnsuchtsvoll schmachtend und Lenden-verzerrt in den starken Armen eines Anti-Schauspielers, natürlich nur latent und heimlich – versteht sich. Ganz sicher, Lana wird immer etwas besonderes bleiben. 

Mein Vater meinte übrigens früher einmal, als ich mich auf dem Sessel hockend in „Smallville“ verloren hatte, dass die Dialoge „salzig“ seien. Und ich hatte mich gefragt, was daran denn „salzig“ sein sollte. Wie konnten Worte denn salzig sein? Sodass man das Gesicht verzog zu einer angeekelten Fratze, sobald man sie hörte? Später hatte ich verstanden – und er hatte Recht. Richtiger Schmonzens ist das, ausgestattet mit einem Arsenal seelenloser Schauspieler-Puppen mit den immer gleichen Gesichtern, auf denen sich einer der drei Ausdrücke ausbreitet. Kein Bryan Cranston, keine Plansequenzen. „Smallville“ ist wirklich unerträglich. 

Letztens habe ich mal wieder reingeschaut. Chloe kündigt zu Anfang der Episode an, dass zum Highschool-Prom die Band Lifehouse bestellt wurde und eigentlich hat sich das Finale der Folge zu diesem Zeitpunkt schon selbst geschrieben. Clark will natürlich nicht hin und stattdessen zuhause bleiben, weil ohne Lana will er nicht - kann ihn verstehen. Um die Laufzeit voll zu kriegen, nervt sich währenddessen eine gleichermaßen unerträglich eindimensional konzipierte, wie gespielte Cheerleader-Tussi als Gestaltenwandlerin von einem Körper in den nächsten, weil sie zuvor mit dem Auto einen Abhang hinuntergestürzt und auf Kryptonit-Gestein gelandet war - in Smallville entstehen so Superkräfte. 

Von da an habe ich viel gelacht. Dann entsteht nämlich die Art von Fernsehfolge, wie ich sie mir vorstelle, wenn ich an „Buffy“ denke*: Total beknackt, silly, aber funktionierend, wenn man die Serie und ihre Figuren(-konstellationen) bis dahin begleitet hat. All die bekannten Figuren zu sehen, die sich auf einmal ganz komisch aufführen, weil sie von einer aufmerksamkeitssüchtigen Prom-Queen-Anwärterin besessen sind, fühlt sich gut an. Weil in Zeiten der großen Plot-Archs in solchen Folgen mal wieder befreitem Nonsens Platz gemacht wird, den Was-wäre-wenn-Szenarien eine Chance gegeben und man sich nicht scheut seine Figuren und seine Schauspieler der Lächerlichkeit preiszugeben. 

Und plötzlich waren da auch Qualitäten, die ich in der Serie zuvor nicht erkannt haben wollte: Denn wenngleich es zunächst nicht den Anschein machen mag, erzählt auch diese Folge in ihrem Subtext in erster Linie von Außenseitertum und dem unbedingten Wunsch wenn schon nicht verstanden, zumindest akzeptiert zu werden und – ganz seiner Monster-of-the-week-Struktur verpflichtet - schließlich der wütenden Reaktion darauf, wenn keine dieser Sehnsüchte ihre Erfüllung erfährt. Die Prämisse eines wandelnden Klischees, das in allerlei Körper schlüpft, um einfach nur gemocht zu werden, spielt buchstäblich mit den Sehnsüchten der Zuschauer, wenngleich es die Macher versäumen diesen Aspekt derartig in den Vordergrund zu inszenieren. 

Oder Chloe, eine weitere tragische Figur, die in der Serie solange dazu verdammt war unglücklich in Clark verliebt zu sein und versucht ihm gleichzeitig nicht im Wege zu stehen. Und die lieber die Freundschaft annimmt, um ihm überhaupt nahe sein zu können, wenngleich nie auf die Art, die sie sich sehnsüchtig wünscht. Die sogar reinen Herzens versucht den Weg zu Lana zu bereiten, auch wenn sie ihr eigenes Herz dafür opfern muss. Solche Figuren(typen) bevölkern „Smallville“ von der ersten Stunde an. In der Pilot-Episode in Verkörperung eines Außenseiters, der sich für die Erniedrigungen einiger Jocks mithilfe elektomagnetischer Fähigkeiten rächen will oder in Folge Zwei in Form eines Insektensammlers, der heimlich in Lana verliebt ist und in seinem Elternhaus auf Unverständnis und Ablehnung stößt. Die Serie löst diese Konfliktsituationen unterschiedlich auf und verkehrt in seinem Kern die Monster-of-the-week-Idee. Die „Monster“ in „Smallville“ sind fast ausschließlich missverständliche und missverstandene Einzelgänger, deren erlangte Kräfte sie einerseits weiter an den Rand der Gesellschaft drängen und andererseits die Möglichkeit eröffnen gehört zu werden. 

„Smallville“ vereint all diese theatralisch ausgebreiteten Beziehungsgeflechte und adoleszenten Stereotypen und verarbeitet damit gleichzeitig die Sehnsüchte und Träume seiner Klientel. Und am Ende – zuvor wird's noch albern, Clark ist besessen und verstellt die Stimme mädchenhaft – darf es dann doch passieren: Lifehouse ist da, schmettert You and Me, diesen schmachtenden, wundertoll-klebrigen Pop-Hit der frühen Nullerjahre. Clark ist schließlich doch dort, Lana ebenfalls. Er streckt die Hand aus, sie ergreift sie. Mädchen- und Jungsträume werden wahr. Zugleich sind dort auch jene, deren Herzen bluten und die sich nichts mehr wünschen, als jemand anderes sein dürfen. Wir können frei wählen zwischen diesen Identifikationsangeboten. Und ich finde das alles überhaupt nicht mehr salzig, sondern auf irritierende Weise profund. 

*Anmerkung meines Zukunfts- bzw. Gegenwarts-Ich: hatte mein Vergangenheits-Ich noch nicht gesehen als er diesen Text verfasste

Sonntag, 14. August 2016

"Anomalisa" [US '15 | Duke Johnson & Charlie Kaufman]

Es liegt eine unendliche Größe darin, wie "Anomalisa" im Kleinen Großes erschafft. Sei es die bloße Feststellung, dass zwischenmenschliche Kommunikation schon immer missverständlich war und immer sein wird, weil sie vieldeutig und beweglich ist in ihrer Natur. Und dass Kaufman an diesem Umstand nicht verzweifelt, auch wenn es angesichts seiner lethargischen, sinnkriselnden Hauptfigur den Anschein machen mag. Kaufman zieht aus der Interaktion seiner Figuren keine selbstzweckhaften Pointen oder zielt auf platten Akward-Humor ab. Die Figuren in „Anomalisa“ verzweifeln an der Unsicherheit alltäglicher Kommunikation ebenso wie sie die größten Wunder zwischenmenschlicher Berührungen durch sie erleben. Deswegen ist der „Girls Just Want to Have Fun“-Dialog auch ein zentraler Wendepunkt in der Geschichte. Es ist eben nicht nur der Klang (Anoma-)Lisa's Stimme, die die Hauptfigur aus der tristen Alltagswelt entlässt, sondern auch das, was sie zu sagen hat. Kaufman legt der namensgebenden Figur keine leeren Worte in den Mund, sondern verlautbart über sie eine hoffnungsvolle, Glück-suchende (und findende) Weltsicht. Die Hauptfigur verguckt sich in die Art, wie Lisa die Welt sieht. Er verguckt sich in die Anomalie in einem gleichgeschalteten System. Und er verguckt sich in die Aussicht in ihrer Art die Welt zu sehen Halt zu finden. Die Komplikationen begleiten auch die Kommunikation zwischen diesen beiden Personen. Kaufman integriert zu diesem Zweck ein vermeintlich unscheinbares Detail: Wenn Lisa Cyndi Lauper's Chartstürmer rezitiert, wird sie von der Hauptfigur kurz unterbrochen, weil diese dem Missverständnis aufsitzt, ihre Darbietung wäre beendet. Die Komplikation, das Missverständnis unterbricht für einen kurzen Moment den Kommunikationsprozess, durchschneidet ihn aber nicht – und das ist der Punkt. Alle Ängste, die an den alltäglichen Austausch gekoppelt sind, sind am Ende des Tages unbegründet. Hinter allen Zerwürfnissen liegt auch die Möglichkeit zur Aussprache und zur Klarstellung. Hinter jeder Komplikation eine Berührung, die einem sagt, dass man wertvoll ist. 

„I want to be the one to walk in the sun.“ 

7/10 

Sonntag, 7. August 2016

Zuletzt gesehen: Juli 2016

"Wir waren Könige" [DE '14 | Philipp Leinemann] - 4.5/10

"Brighton Rock" [UK '47 | John Boulting] - 6.5/10

"The Grandmaster" [HK, US, FR '13 | Wong Kar Wai] - 5/10

"Batman v Superman: Dawn of Justice" [US '16 | Zack Snyder] - 2/10

"Girls" [US '12 | Season 1] - 7/10

"Girls" [US '13 | Season 2] - 5.5/10

"Girls" [US '14 | Season 3] - 5/10

"Girls" [US '15 | Season 4] - 5/10

"Girls" [US '16 | Season 5] - 6/10

"Stranger Things" [US '16 | Season 1] - 5.5/10

"The Taste of Money" [KR '12 | Sang-soo Im] - 4/10

"Im Angesicht des Verbrechens" [DE '10 | Staffel 1] - 7/10

"One Punch Man" [JP '15 | Season 1] - 7/10